Entstehungstheorien der Migräne

Begonnen von Ann, 12:32, 29.02.2012

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Ann

Die Ursachen, die zur Entstehung einer Migräne führen, sind immer noch nicht ganz geklärt und erforscht. Es gibt verschiedene Hypothesen, häufig kann aber eine einzelne Hypothese nicht alle Erscheinungen der Migräne erklären.
Eindeutig steht aber fest, dass die Migräne physiologische Ursachen hat und eine komplexe Gehirnfunktionsstörung ist und keine eingebildete Krankheit, wie man früher annahm und auch keine psychische Erkrankung.


Die derzeitigen gängigsten Entstehungsfaktoren sind:



1. Migräne als neurogene Entzündung (derzeit gängigste Theorie)

2. Reizverarbeitungsstörung / Überflutung des Gehirns mit Reizen

3. Durchblutungsstörungen im Gehirn / vaskuläre Erkrankung

4. Migräne und Neurotransmitter /Störung des Serotonin- Gleichgewichtes

5. Migräne-Generator

6. Genetische Disposition/ erbliche Veranlagung

Quellen für die folgenden Beiträge:
http://www.schmerzklinik.de/service-fuer...issen/ursachen/
https://www.scinexx.de/?s=Migr%C3%A4ne
http://idw-online.de/de/news444521
http://www.aerzteblatt.de/foerderpreise/verleihung?id=1509
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mediz...t-a-907473.html
http://www.welt.de/gesundheit/article106...e-entdeckt.html
https://schmerzklinik.de/weltweit-groesste-migraenestudie-entdeckt-44-neue-genetische-schluessel-der-migraene/

Liebe Grüße Ann

Ann

#1
1. Migräne als neurogene Entzündung

Laut dieser These wird der Migränekopfschmerz durch eine Entzündung an den Kopfgefäßwänden ausgelöst. Diese wird durch erhöhte Nervenaktivitäten verursacht. ,,Neurogene Entzündung" weil die Entzündungsreaktionen von den Nerven hervorgerufen werden.
Der Hirnstamm schüttet über einen Gehirnnerv bestimmte Botenstoffe aus. Diese lösen auf der Hirnhaut eine entzündungsähnliche Reaktion aus die dann zu dem Migränekopfschmerz führt. Es liegt dabei keine Gewebsschädigung oder eine Infektion mit Bakterien oder Viren vor.

Vor einer Migräne-Attacke besteht eine verstärkte Aktivität im Hirnstamm und Hypothalamus. Im Hypothalamus befindet sich eine Region, welches auf Reize ( wie Stress, Nahrungsmittel, Gerüche etc. ) reagiert. Bei Migränikern lösen einiger dieser Reize die Veränderung der Hypothalamus-Aktivitäten aus.

Diese verstärkte Aktivität überträgt sich wiederum auf den Trigeminusnerv, seine Endungen befinden sich an den Wänden der Blutgefäße im Gehirn. Durch erhöhte Schmerzimpulse an das Hirn kommt es zu einer Überlastung der Nervenwände. Folge dieser Überlastung ist die Entzündung der Nervenwände, die sich verdicken. Dadurch wird der Blutfluss im Gehirn verringert und somit das Gehirn mangelhafter durchblutet. Die Aura entsteht.
Wenn die Entzündung die Gefäßwand erreicht, wird diese durch den Blutdruck erweicht. Folge ist, dass die Gefäße ausleiern und sich vergrößern. Die Aura ist beendet.
Gleichzeitig tritt eiweißhaltige Flüssigkeit aus, wodurch es zu dem Migränekopfschmerz kommt. Auf Grund des Pulsschlages, der auf die Gefäße drückt, ist der Migräneschmerz als pulsierend empfunden. Andere Bereiche des Gehirns werden ebenfalls durch die Schmerzen aktiviert, was die Begleiterscheinungen der Migräne wie Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Lärmempfindlichkeit erklären könnte.

Eine Studie zeigte allerdings auf, dass der Eiweißaustritt bei der Entstehung des Migränekopfschmerzes nicht so eine große Rolle spielen würde, eher die Gefäßerweiterung.
Diese These würde die Wirkung von Medikamente wie Acetylsalicylsäure (ASS)und Triptane bei Migräne erklären.
ASS und Triptane wirken entzündungshemmend und verengen die Blutgefäße.
Allerdings erläutert diese These nicht, wie die Veränderung Hirnstamm/Hypothalamus-Aktivitäten zustande kommt.
Durch eine Reizüberflutung oder bestimmte starke Reize könnte eine solche veränderte Überaktivität erfolgen. Dagegen spricht, dass Migräne auch in Ruhe , Entspannungsphasen und Schlaf auftritt, wobei es in solchen Phasen eine geringe Reizbeeinflussung besteht,

Derzeit ist diese These die gängigste, wenn auch nur Teilaspekte der Migräneentstehung erklärt werden können.
Liebe Grüße Ann

Ann

#2
2. Reizverarbeitungsstörung / Überflutung des Gehirns mit Reizen

Hierbei handelt es sich um Reizverarbeitungsstörung im Gehirn bei einem Migräniker.
Nach dieser These kommt es auf Grund einer Überflutung des Gehirns mit Reizen zu einer schmerzhaften Gefäßentzündung. Auch soll die Vererbung eine Rolle spielen, so soll die Bereitschaft in bestimmten Reizsituationen eine Migräne zu entwickeln vererbt sein.

Es ist messbar, wenn Gehirnzellen auf bestimmte Reize (akustische, optische etc.) reagieren, auch eine ,,Erwartungsspannung". In der Regel gewöhnt sich das Gehirn an wiederholte Reize, die Erwartungsspannung normalisiert sich. Beim Migräniker kommt es zu keiner gravierenden Normalisierung, das Gehirn bleibt auch zwischen den Migräneattacken sehr leicht erregbar. Außerdem ist die Reaktion auf Reize ausgeprägter.

Das Gehirn steht sozusagen ständig unter Hochspannung und kann nicht abschalten. Man hat festgestellt, dass unter einer erfolgreiche Behandlung mit Betablockern ( wird auch zur Migräneprohylaxe eingesetzt) sich das Gehirn normalisiert.
Liebe Grüße Ann

Ann

#3
3. Durchblutungsstörungen im Gehirn / vaskuläre Erkrankung

Die These der Durchblutungsstörung stützt sich auf eine zunächst kurzfristige, vorübergehende Verengung der Blutgefäße im Gehirn und der Gehirnhaut, die durch sogenannte äußere Faktoren, wie Stress, Wetterumschwung, Änderungen des Hormonspiegels hervor gerufen werden können. Eine anschließende Gefäßerweiterung mit einer erhöhten Durchblutung von Kopfhaut und Gesicht führt zum Kopfschmerz. Die Blutgefäße des Gehirns sind schmerzempfindlich, das Gehirn selber nicht.
Eine Durchblutungsstörung bzw. die regionale Durchblutung des Gehirns ist mit Hilfe der PET-Untersuchung (Positronen-Emissions- Tomografie )nachweisbar.

Durchblutungsstörungen bei einer Aura sind bekannt. Dabei beginnt eine Störung im hinteren Gehirnbereich, in der auch sich auch die Sehrinde befindet. Diese Störung wandert weiter. Das könnte die Aurasymptomatik wie Sehstörungen und Gefühlsstörungen erklären.

Unklar ist ob die Aura tatsächlich durch die Durchblutungsveränderungen ausgelöst wird. Verfechter dieser These machen einen Sauerstoffmangel für die Aurasymptome verantwortlich.

Bei dieser These bleiben Fragen offen und erklärt auch nicht z.B. Migräne ohne Aura oder den meist einseitigen Schmerz bei Migräne.
Daher kann der Migräneschmerz bei Migräne ohne Aura nicht nur durch eine Mangeldurchblutung entstehen. Es müssen noch andere Gründe und Ursachen vorhanden sein.
Diese These der Durchblutungsstörung allein reicht nicht aus um komplett die Ursache/Entstehung einer Migräne zu erklären.
Liebe Grüße Ann

Ann

#4
4.Migräne und Neurotransmitter / Störung des Serotonin- Gleichgewichtes

Bei dieser These spielt der Botenstoff Serotonin ( 5-Hydroxytryptamin, 5-HT), ein sogenannter Neurotransmitter, eine entscheidend Rolle bei der Entstehung einer Migräne.

Die in den Nervenzellen befindlichen Neurotransmitter werden bei der Erregung der Zelle freigesetzt. Sie leiten Signale wie Hemmung oder Aktivierung an Organe weiter, geben Informationen von einer zu einer anderen Nervenzelle. Diese Botenstoffe sind an vielfältigen Prozessen innerhalb des Gehirn beteiligt, z. B. Impulsübertragung von Nervensignalen, Weitstellung / Engstellung der Blutgefäße, Schmerzsignalauslösung etc..

Laut dieser These wird als Ursache der Migräne eine Störung des Serotonin-Gleichgewichts im Hirn angenommen.
Serotonin wird in großer Konzentration in der Magen-Darm-Schleimhaut, im Zentralnervensystem und den Blutplättchen (Thrombozyten) gespeichert. Serotonin wirkt auch noch an vielen Bereichen im Körper.
Es ist nachgewiesen, dass sich während eines Migräneanfalles vermehrt Serotonin im Blutkreislauf befindet.

Bei einer Migräne wird zunächst Serotonin aus den Blutplättchen freigesetzt. Da dieser Botenstoff gefäßverengend wirkt, erfolgt eine Mikrozirkulation im Hirn und es kommt zu den neurologischen Symptomen der Aura. Das freigesetzte Serotonin wird im Hirn relativ schnell abgebaut, wodurch ein Serotonin-Mangel entsteht. Dieser wiederum bewirkt eine schmerzhafte Gefäßerweiterung.
Diese Gefäßerweiterung könnte im Magen-Darm-Trakt die Übelkeit und Erbrechen während eines Anfalles erklären.
Allerdings ist auch hier noch vieles nicht geklärt.

Die meisten Migränemedikamente ( wie z.B. die Triptane ) wirken auf den Serotonin-Haushalt.
Liebe Grüße Ann

Ann

#5
5. Migräne-Generator

Eine andere These besagt, dass der Migräne-Generator als Ursache einer Migräne anzusehen und angeboren sei.
Mittels der Positronenemissions-Tomografie (PET)- Untersuchung konnte während einer Migräneattacke im oberen Hirnstamm ein Zentrum mit erhöhter Durchblutung identifiziert werden, Dieses Zentrum ist der Migränegenerator. Er lässt sich nur bei Migränikern nachweisen.
Im diesem Zentrum befinden sich Nervenkerne( Trigeminuskern). Diese kontrollieren die Schmerzempfindung und Schmerzhemmung.
Es wird vermutet, dass dieser Migränegenerator (spezieller Bereich im Hirnstamm) anspringt und eine bestimmte Hirnregion aktiviert und überreizt.
Die Nervenfasern entzünden sich, Gefäßwände werden für bestimmte Stoffe durchlässig, treten ins umgebende Gewebe aus und der Migräneschmerz entsteht. Die Schmerzrezeptoren des Trigeminusnerves werden gereizt und der Trigeminuskern wird immer weiter erregt und der Migräneschmerz nimmt zu.
Demnach wäre die erhöhte Aktivität des Hirnstamms nicht die Folge des Kopfschmerzes, sondern deren Ursache. Das würde auch den Wiederkopfschmerz erklären und warum es zu einem erneuten Auftreten des Schmerzes kommt, wenn die Wirksamkeit eines Migränemittels abgeklungen ist. Es ist nämlich beobachtet worden, dass die Aktivität bestehen bleibt, wenn die Migräne durch Schmerzmittel unterdrückt wurde.( Der eigentliche Anfall ist ja nicht vorbei)

Auch hier ist vieles noch nicht geklärt. So zeigten verschiedene Studien nicht nur im Hirnstamm, sondern auf der Hirnrinde bei Migränikern eine anormale Aktivität.
Im Jahr 2002 wurde eine deutlich gesenkte Reizschwelle und eine Übererregbarkeit der Hirnrinde festgestellt.

Wissenschaftler konnten durch funktionelle Magnetresonanz-Tomografie - Untersuchungen (fMRT ) 2011 nachweisen, dass bestimmte Hirnbereiche an der Entstehung von Kopfschmerzattacken beteiligt sind. ( bildlicher Nachweis)
Weiterhin wurde heraus gefunden, dass der Grad der Aktivierung von bestimmten Hirnstammkernen direkt von den immer wieder auftretenden Kopfschmerzattacken abhängig ist. Im Gegensatz zu Gesunden schwankt diese Hirnaktivität bei Migränikern.

Die fMRT-Untersuchungsergebnissen zeigten bei Migränikern eine höhere Aktivität der spinalen trigeminalen Kerne im Gehirn als bei Gesunden. Kurz vor einer Kopfschmerzattacke steigt der Wert weiter an und erreicht kurz vor dem Ausbruch der Migräneschmerzen sein Maximum. Damit ist es möglich den Zeitpunkt der nächsten Migräneattacke vorherzusagen. Die Daten zeigen, dass die Aktivität der spinalen trigeminalen Kerne vom Migränezyklus abhängt.
Den Wissenschaftlern gelang es auch anhand des fMRT den Migränegenerator in der akuten Migränekopfschmerzphase darzustellen.
Liebe Grüße Ann

Ann

#6
6. Genetische Disposition/ erbliche Veranlagung

Oft tritt die Migräne innerhalb einer Familie auf, sodass davon ausgegangen wird, dass genetische Faktoren eine Rolle spielen. Es wird weiterhin vermutet, dass eine Anfälligkeit für Migräne vererbt wird. Zwillingsstudien untermauern dies. Allerdings hängt das tatsächliche Auftreten einer Migräne von verschiedenen Faktoren ab.

Familiäre hemiplegische Migräne:
Bei der familiären hemiplegischen Migräne (Sonderform der Migräne ) wurden bis jetzt drei verschiedene Gendefekte auf den Chromosomen 1 und 19 identifiziert. (Mutationen in den Genen CACNA1A, ATP1A2 und SCN1A)
Bei der ,,normalen" Migräne bestehen diese Art der Gendefekte nicht.

Andere genetische Defekte :
a ) Ein genetischer Defekt, der den Glutamatspiegel ansteigen lässt, könnte Migräneanfälle begünstigen
Ein internationales Wissenschaftlerteam entdeckten 2010 im Erbgut eine DNA-Region, die die Anfälligkeit für die Kopfschmerzattacken beeinflusst. Dort wird die Aktivität eines Genes, die den Spiegel des Botenstoffes Glutamat bei der Verbindung zwischen zwei Hirnzellen (Synapsen) reguliert, gesteuert. Eine Fehlregulation könnte wegen dem resultierende erhöhten Spiegel dieses Neurotransmitters zu einer Migräne führen. So ein Gendefekt, der zu einer Erhöhung des Glutamatspiegels führt, könnte Migräneanfälle begünstigen.

b ) Ebenfalls 2010 identifizierte ein internationales Wissenschaftlerteam einen genetischen Defekt, der in Zusammenhang mit Migräne zu sehen ist.
Es handelt sich dabei um das Gen KCNK18, welches die Erbinformation für TRESK enthält. Man nimmt an, dass Störungen im Kaliumkanal TRESK zu Schmerzempfindlichkeit führen. Bei Migränikern sei dieses Gen defekt und so nicht ausreichend aktiviert, welches dann zur Migräne führt.

c )im Juni 2012 - wurden weitere genetische Risikofaktoren für die Migräne ohne Aura gefunden
Es handelt sich dabei um vier genetische Risikofaktoren:
die häufig vorkommende DNA-Varianten, sog. Polymorphismen, dabei ist jeweils ein einzelner Baustein im DNA-Strang verändert.
Diese Risiko-Varianten befinden sich auf den Chromosomen 1, 3, 6 und 9. Bei Menschen mit solcher veränderter DNA ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch an Migräne ohne Aura zu erkranken.

Bei der Migräne mit Aura wurde bereits ein genetischer Risikofaktor gefunden, es könnte ein physiologischer Zusammenhang bestehen. Möglich wäre, dass eine ,,Überschüttung" des Botenstoffes Glutamat an den Synapsen mit verantwortlich für die Migräne ist.

d) Genetische Ursachen der Migräne entdeckt
Im Juni 2013 entdeckte ein internationales Forscherteam in einer Migränestudie weitere genetische Risikofaktoren für Migräne.
Dabei wurden Genregionen, die für die Entstehung der Migräne mitverantwortlich sein sollen identifiziert. So wurden Regionen in der Nähe von Genen entdeckt, die eine Bedeutung bei der Kontrolle von Hirnschaltkreisen haben. Es wird davon ausgegangen, dass zwei Regionen für die Aufrechterhaltung der normalen Hirn- und Nervenzellfunktion verantwortlich sind. Das genetische Risiko einer Migräneerkrankung liegt wohl in der Steuerung dieser Schaltkreise.
Im Juni 2016 wurden in einer bisher umfangreichsten Migränestudie 44 neue Genvarianten entdeckt, die das Risiko erhöhen an Migräne zu erkranken.
Dabei spielt auch im Gehirn eine zeitweise Störung der Blutversorgung eine Rolle, die eine Migräneattacke auslöst.
Liebe Grüße Ann